Wirtschaft/Wissenschaft 

 

Taiwan-Wirtschaftstag in der Handelskammer Hamburg

 

Eingebettet in die Feiern anlässlich des vierzigjährigen Bestehens der Bambusrunde, lud die Handelskammer am 10. September gemeinsam mit dem Ostasiatischen Verein und der Bambusrunde zu einem Wirtschaftstag Taiwan. Von besonderem Interesse waren die Chancen für deutsche Handels- und Technologieunternehmen in Taiwan, speziell im Umweltbereich.


Eingeleitet wurde der Wirtschaftstag mit Grußworten von Herrn Dickmann, dem stellvertretenden Geschäftsführer und Leiter der Abteilung Außenhandelsförderung (Herr Dickmann übernahm auch die Moderation), Herrn Dr. Boesken, dem Präsidenten der Taiwan Bambusrunde und Frau CHANG, der Generaldirektorin der Taipeh-Vertretung in Hamburg.

Wirtschaftstag Taiwan in der Handelskammer Hamburg am 10.09.2009
Wirtschaftstag Taiwan in der Handelskammer Hamburg am 10.09.2009

Bereits in den Grußworten wurde herausgearbeitet, dass viele gute Gründe für ein Engagement deutscher Firmen in Taiwan sprechen: So gibt es auf beiden Seiten der Taiwanstraße den offensichtlichen Willen, berechenbare, verlässliche und pragmatisch verbesserte Beziehungen zwischen China und Taiwan herzustellen. Daher wiegen die Vorzüge Taiwans um so stärker. Diese sind der hohe Standard an Forschungs- Entwicklungs- und Innovationstätigkeit und die daraus resultierende Verfügbarkeit von qualifizierten und professionellen Arbeitnehmern. Ein weiterer Vorzug ist der hohe Entwicklungsstand einer rechtsstaatlichen Demokratie und Marktwirtschaft. Hinzu kommt die Erfahrung im Umgang mit chinesischen Geschäftspartnern, da inzwischen viele taiwanische Unternehmen in China produzieren und somit für deutsche Geschäftspartner gute Sprungbrettmöglichkeiten nach China bieten.

Da Taiwan praktisch vollständig auf Energieimporte und Kernkraft angewiesen ist, wurde im Rahmen der Konjunkturpakete mehr als eine Milliarde Euro für Projekte in den erneuerbaren Energien bereitgestellt, eine gute Ausgangsbasis für Win-Win-Geschäfte.

Als erster Redner referierte Herr Jonas Keller, Regional Manager des Ostasiatischen Vereins zur wirtschaftlichen Situation in Taiwan. Herr Keller stellte die wirtschaftliche Situation in Taiwan sehr umfassend vor. Bei seinem Vortrag arbeitete er heraus, dass die tragende Kraft in der taiwanischen Wirtschaft kleine und mittelständische Unternehmen sind, die wichtigsten Industrieprodukte sind High-Tech-Produkte wie Halbleiter, LCDs und DRAM, weitere Branchen sind die chemische und die Metall verarbeitende Industrie. Die Besonderheiten sind, dass einerseits Produktionsprozesse zunehmend nach China ausgelagert werden während andererseits die Wirtschaft immer mehr zu einer Dienstleistungsgesellschaft wird.

In Bezug auf das Schwerpunktthema vertiefte Herr Keller die Informationen aus den Grußworten. So untermauerte er die hohe Importabhängigkeit mit Zahlen: 99% der Primärenergie wird demnach importiert, nach dem bisherigen Energiemix wird 52,5% der Energie aus Öl, 29,7% der Energie aus Kohle, 10,2% aus Atomkraftwerken, 7,2% aus Gas und 0,4% aus regenerativen Energiequellen gewonnen. Die Besonderheit sei, dass lediglich die letzte Quelle der Energiegewinnung eine einheimische sei. Seit Juni gibt es ein neues Gesetz zur Forcierung der Energiegewinnung aus regenerativen Energiequellen, eindeutiger Fokus sei die Photovoltaik. Hier verspreche man sich Synergieeffekte, da diese Technologie sehr stark mit der Halbleitertechnologie verwandt sei.


Windenergie könne vor allem im Osten Taiwans gewonnen werden, ebenso sei Potential für Geothermik durchaus vorhanden, wegen der tektonischen Besonderheiten auf Taiwan und dem damit verbundenen Erdbebenrisiko sei jedoch eine Realisierung problematisch.


Dr.-Ing HSIE Liang-han konzentrierte sich bei seinem Beitrag auf die Veränderungen der Wirtschaftsstrukturen in Taiwan. So hat sich Taiwan von einem Fertigungsland für Auftragsarbeiten zu einem High Tech Standort entwickelt, der inzwischen über eigene Forschungs- und Entwicklungskompetenz verfügt. Somit sei Taiwan heute in der Lage, nicht nur Produkte sondern stattdessen komplette Lösungen anzubieten. Die Nutzbarmachung anderer – insbesondere des chinesischen Marktes – führe dazu, dass der Fokus der Taiwanischen Industrie sich von „Made in Taiwan“ hin zu „Made by Taiwan“ entwickele.


Die zu Beginn der Veranstaltung beschriebene „Win-Win-Situation“ entstehe, wenn multinationale Unternehmen in diesen Forschungs- und Entwicklungsprozess integriert werden. Dies umzusetzen sei Ziel und Aufgabe des ITRI-Büros in Berlin.

 

Anhand zahlreicher Beispiele wurden bereits verwirklichte Kooperationen dargestellt. Zudem hat ITRI sich für die Zukunft zum Ziel gesetzt, mehr Taiwanische Unternehmen zu ermuntern, an dem EU Forschungsrahmenprogramm teilzunehmen.
In Taiwan selbst ist ein Programm aufgelegt worden, um diese als „Wachstumsindustrien“ eingestuften Industriezweige zu fördern:

 

  • Medizin – und Gesundheitswesen
  • Biotechnologie
  • Erneuerbare Energie
  • Kultur- und Kreativwirtschaft
  • High-end Agrarwirtschaft
  • Tourismus


Herr CHIU Yi-cheh, Direktor der Taipei-Vertretung in Berlin sprach für TAITRA (Taiwan- Aussenhandels-Entwicklungsrat) über Investitions- und Handelsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in Taiwan. TAITRA ist die größte taiwanische Organisation zur Handelsförderung mit vier Büros in Taiwan und 48 Niederlassungen weltweit. Somit versteht sich TAITRA als Schnittstelle zwischen der taiwanischen und der internationalen Wirtschaft. Besondere Bedeutung kommt daher der Organisation von Messen und der Hilfestellung für im Ausland tätigen taiwanischen Unternehmen im Umgang mit den dortigen Behörden zu.


Zu Beginn seines Beitrags arbeitete Herr CHIU heraus, dass die aktuelle Wirtschaftskrise zumindest bislang wenig Auswirkungen auf den taiwanisch-deutschen Handel hat, obwohl die taiwanische Wirtschaft ganz besonders hart von ihr betroffen ist. In seinem Beitrag stand im Zentrum, welche Aufgaben zu bewältigen sind, damit die taiwanische Wirtschaft sich wieder nachhaltig erholen kann. Als zentrale Herausforderungen identifizierte er die politische Isolation, die Energieknappheit, die alternde Bevölkerung und die Beziehungen zu China.

 

Bei dem Thema Energieknappheit kam er zu ähnlichen Resultaten wie Herr Keller. Auch Herr CHIU verwies auf das neue Gesetz zu den Erneuerbaren Energiequellen.

Sehr viel Bewegung ist in das taiwanisch-chinesische Verhältnis gekommen, seitdem Taiwan mit Ma Ying-jeou einen neuen Präsidenten hat, der gegenüber China einen sehr viel pragmatischeren Kurs eingeschlagen hat.


So gibt es viele neue Abkommen wie etwa die zu direkten Schiffs-, Post- und Flugverbindungen, gegenseitige Investitionserleichterungen und auch Kooperationsabkommen zur Verbrechensbekämpfung oder zur Erreichung von Lebensmittelsicherheit. Somit verbessern sich auch die Möglichkeiten, von Taiwan aus (auch) den chinesischen Markt zu bedienen, ohne auf die Vorzüge der hoch entwickelten Forschungs- und Entwicklungscluster und des dortigen, qualifizierten Personals zu verzichten. Zudem werden Steuervergünstigungen und weitere Anreize bei F&E-Tätigkeit geboten. Zu der geographischen und kulturellen Nähe zu China kommt das hohe Maß an Rechtssicherheit, die vergleichsweise niedrigen Lohnkosten und die hohe Lebensqualität.

Somit bieten sich für deutsche Firmen vor dem Hintergrund der Konjunkturpakete, des GPA-Beitritts und des neuen Gesetzes für die erneuerbaren Energiequellen interessante Investitions- und Handelsmöglichkeiten.

 

Als letzter Redner stellte Herr Franz E. Simon, Geschäftsführer und Wirtschaftsprüfer von Wotax International die Möglichkeiten von Investitionen in Deutschland und in Taiwan am Beispiel der Solarindustrie dar.


Er präsentierte zunächst einen Überblick, aus dem hervorging, dass Deutschland der Motor der Entwicklung der weltweiten Solarwirtschaft ist und zudem den größten Markt beherbergt.
Bei der Entwicklung der Preise sei für nächstes Jahr sehr viel Potential zu erwarten, da einerseits die Preise seit 2006 um ca. 35% gesunken sind und aufgrund der aktuellen Wirtschaftskrise insbesondere in China erhebliche Überkapazitäten entstanden sind, die zu Dumping-preisen verkauft werden. Da dem Klimaschutz weltweit ein bislang nicht bekanntes Maß an Aufmerksamkeit gewidmet wird, sehe die Mehrheit der deutschen PV-Produzenten zuversichtlich in die Zukunft.


Er erinnerte an die bereits dargestellten Möglichkeiten der PV-Technologie in Taiwan und verwies auf die Umweltmesse in Taiwan vom 21. bis zum 24. Oktober. Mittlerweile gibt es zahlreiche taiwanisch-deutsche Kooperationen. Für solche Gemeinschaftsprojekte lohne sich ein Blick auf den Markt in Deutschland. Dieser hochspezialisierte Markt mit seinen mittlerweile 48.000 Beschäftigten biete viele Entwicklungsmöglichkeiten. Hinzu kommen umfangreiche Förderprogramme und eine niedrige Effektivbesteuerung, die sich sehr positiv auf die Reallöhne auswirke. Daher bieten sich diesen Kooperationen gute Investitionsmöglichkeiten in Deutschland.


Ein Mittagsimbiss mit Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen rundete diese Veranstaltung ab.

Text: Marius von Winterfeld, Bernd Riegerl
Fotos: Thomas Glaue; Hamburg

Taiwan Wirtschaftstag - Gehaltene Vorträge


Veranstaltet am 10. September 2009 vom Taiwan-Freundeskreis Bambusrunde e.V., der Handelskammer Hamburg und dem Ostasiatischen Verein mit freundlicher Unterstützung der Taipeh-Vertretung und des DTJV.

Jonas Keller

Regionalmanager Greater China,

OAV German Asia-Pacific Business Association

Zur wirtschaftlichen Situation Taiwans
Vortrag_Jonas KELLER.pdf
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Dr.-Ing. Liang-han Hsieh

Representative, European Business Group,

ITRI Europe Office Berlin

Investitions- & Kooperationsmöglichkeiten für Technologiefirmen in Taiwan
Vortrag_Dr.-Ing. Liang-han HSIEH.pdf
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Yi-cheh Chiu

Direktor, Taipeh Vertretung Berlin

Investitions- & Handelsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen in Taiwan
Vortrag_Herr Yi-cheh CHIU.pdf
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Franz E. Simon

Geschäftsführer & Wirtschaftsprüfer,

Wotax International, Düsseldorf

Investieren in Taiwan & Deutschland am Beispiel der Solarindustrie
Vortrag_Franz E. SIMON.pdf
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